Wer auf der Klangweg-Wanderung an den Woodpeckers vorbei kommt, zückt vielleicht sein Mobiltelefon, macht von dem klopfenden Roboter-Specht einen Film und sendet ihn in seine bevorzugte virtuelle soziale Umgebung. Und siehe da: Je mehr Menschen genau das tun, desto wilder klopfen die Spechte. Aber warum? Das klangliche Ergebnis der Woodpeckers ist eine Sonifikation des jeweils unterschiedlich vorherrschenden Elektrosmogs auf diesem Abschnitt des Klangwegs.
Der Sound von elektromagnetischem Smog
Diese Arbeit des Künstlers Marco Barotti funktioniert komplex: Zuerst werden elektromagnetische Wellen der unmittelbaren Umgebung empfangen und in Audiomuster umgewandelt. Dann werden nur alle für das menschliche Ohr hörbaren Frequenzen herausgerechnet. Übrig bleiben nur tiefe Frequenzen im Bereich von 0 bis 20 Hertz – unhörbar für den Menschen, aber sichtbar! Kleine Lautsprecher machen diesen Frequenzbereich sichtbar, weil sich deren Membran bewegt, auch wenn wir nichts hören. Aus so einem kleinen Lautsprecher besteht denn auch der Kopf eines Woodpeckers. Daran montiert ist ein kleiner ‹Schnabel›. Wenn der kleine Lautsprecher nun von den umgerechneten und gefilterten elektromagnetischen Frequenzen stimuliert wird, bewegt sich der ‹Schnabel› vor und zurück und schlägt wiederum den gestimmten Klangstab eines Xylophons an.
Die Woodpeckers erzeugen eine eigene wechselhafte Live-Klanglandschaft, die aufgrund moderner Kommunikationstechnologien in der natürlichen Umgebung immer mitschwingt. Die entstehende akustische Komposition ist je nach vorhandenem Elektrosmog ständiger Verwandlung unterworfen.
Jedes Jahr ein Thema
Marco Barotti greift sich jedes Jahr ein Thema heraus, über das er mit seiner Kunst sprechen will. 2023 war es der Elektrosmog, der aus der allgegenwärtigen kabellosen Technologie entsteht. Zu jedem Thema sucht sich Barotti ein Wesen aus dem lebendigen Ökosystem heraus, das zur Metapher seines Themas wird. Die Grundidee ist, ein ‹Tech-Ökosystem› zu kreieren, das mit Ähnlichkeiten zu Tieren und Pflanzen spielt. Spechte kommunizieren über ihr Klopfen und markieren Territorien – für Barotti eben das, was Menschen mit mobiler Telefonie oder der Nutzung von GPS und NavigationsApps tun.
Hinter aller Bewegung steht Klang
Für alle vielseitigen Kunstwerke von Barotti gilt: Dahinter steckt eine Übersetzung von Daten in Audiofrequenzen. Diese werden über Lautsprecher abgegeben, von denen dann – via push and pull – Bewegungen generiert werden. Das bedeutet, Klang ist auch die Grundlage seines Paralleluniversums, des ‹Tech-Ökosystems›.
Über den Künstler
Marco Barotti hat sein Musikstudium zwischen 1999 und 2003 an der Siena Jazz Academy in Italien absolviert. Seit 2005 lebt und arbeitet der Künstler in Berlin. Seine Kunstwerke wurden seit 2015 in über 50 internationalen Ausstellungen gezeigt und werden immer wieder gefeiert. Für seine Arbeiten ‹Clams›, ‹Swans› und ‹Sound Of Light› wurde Barotti mit dem Deluxe Color Award (2015), dem Tesla Award (2018) und dem NTU Global Digital Art Prize (2019) ausgezeichnet.
marcobarotti.com ↗