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Edaphon

2024, Bodenobservatorium, Dr. Marcus Maeder (CH)

Die mobile Klangskulptur, die Marcus Maeder für den Klangweg eingerichtet hat, nennt sich Edaphon: Der Begriff bezieht sich in der Ökologie auf die Gesamtheit aller Bodenorganismen und beinhaltet gleichzeitig den griechischen Ausdruck phon für Klang oder Ton. Es handelt sich um ein Bodenobservatorium – aber nicht für die Augen, sondern für die Ohren. Mithilfe von Kontaktmikrophonen und einer technischen Verstärkung wird das vielfältige Krabbeln, Klopfen und Vibrieren kleiner Bodentiere in Echtzeit für das menschliche Ohr hörbar.

Moderne Tontechnik macht’s möglich: Das Edaphon auf dem Klangweg Toggenburg führt in den Geräuschkosmos des Bodens. Den Pfad in die Tiefen hat der Schweizer Marcus Maeder angelegt – Musiker und promovierter Umweltwissenschaftler, Künstler und Forscher, Komponist und Philosoph.

Klangkosmos der Krabbeltiere

Im großen schwarzen Zelt kann man sich in Bauchlage so auf die Liegefläche legen, dass der Kopf in einer Vertiefung ruht. Aus dieser Vertiefung dringt ein Klicken und Knacksen, ein Schnalzen und Rauschen. Je geduldiger man zuhört, desto varianten- und detailreicher werden die Geräusche, die ans Ohr dringen.

Die Geräusche kommen von einer etwas weiter entfernten Stelle, wo unter einem kleinen schwarzen Zelt ein Mikrophon im Boden steckt. Die Töne der dort ungestört krabbelnden Bodeninsekten werden für das menschliche Ohr mithilfe moderner Technik hörbar gemacht und live in das große Zelt übertragen. Das hochsensible und besonders präparierte Kontaktmikrofon fängt zunächst winzige Schwingungen auf. Über einen Vorverstärker wird das, was es meldet, dann tausendfach verstärkt. Ein Audio-Interface wandelt die Signale außerdem in digitale Daten um.

Hörbarkeit des Unerhörten

Auf diese Weise in den Boden zu lauschen eröffnet dem Musiker als auch dem Wissenschaftler Marcus Maeder ein weites Betätigungsfeld. Als Umweltwissenschaftler und akustischer Ökologe arbeitet er daran, die Biodiversität des Bodens zukünftig auch akustisch messen zu können. Als Künstler möchte er die Sinne der Menschen ansprechen und die faszinierende Vielfalt der Bodenbewohner vermitteln. Er hofft, dass er Menschen damit für das Ökosystem Boden sensibilisiert.

«Es gibt zwei Bereiche in meinem Leben: den naturwissenschaftlichen und den künstlerischen Teil. Beide Teile finden oft gleichzeitig statt – meistens im Zuge der Erkundung einer Landschaft oder einer speziellen Problematik in der Umwelt.»

Marcus Maeder , Künstler

Kunstinstallation und Wissenschaft

An der Schnittstelle von Klanginstallation und Wissenschaft hat Marcus Maeder nicht nur das Edaphon entwickelt, sondern schon einige Projekte durchgeführt und zum Beispiel den Zustand des Waldes vermittelt. Wenn er seine Spezialmikrofone den Bäumen unter die Rinde steckt, kann er den Trockenstress hörbar machen, unter dem der ganze Wald leidet. Immer dann, wenn in den Gefässen die Wassersäule reisst, entsteht ein Geräusch im Ultraschallbereich.

Ausserdem sonifiziert der Musiker die Umweltdaten: Temperatur- und Feuchtigkeitsdaten werden in Klänge transformiert. Ändern sich diese Messwerte, dann spiegeln sich diese natürlichen Prozesse in der Veränderung der Töne. Auch das Edaphon wird von Zeit zu Zeit mit Klängen erweitert werden, die aufgrund von Datensonifikation entstehen.

Über den Künstler

Dr. Marcus Maeder studierte Freie Kunst an der Hochschule Luzern, Philosophie an der FernUniversität Hagen (D) und promovierte 2023 an der ETH Zürich im Fach Umweltsystemwissenschaften. Er forscht und lehrt am Institut für Computermusik und Tontechnologie (ICST) der ZHdK und ist seit 2023 Humboldt-Forschungsstipendiat an der Freien Universität Berlin. Seine Installationen erhielten zahlreiche Preise und sind weltweit zu erleben – z.B. auf der UN-Klimakonferenz COP21 (2015) oder auf der Tokio Biennale (2023).

marcusmaeder.ch ↗

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