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Der Baum

2024, Domenico Melchiorre, Fritz Hauser (CH)

An einem Baum laden zwei Schaukeln ein, sich auf und ab zu schwingen. Gemeinsam wippt der Blick mal in den Toggenburger Wald, mal in den Himmel, mal auf die Wiese. Dabei entsteht überraschend ein Klang – nicht das erwartete Knarzen einer Holzschaukel an dicken Seilen, sondern ein Klang wie aus einer anderen Welt.

Die Schaukelkonstruktion von Der Baum ist sehr besonders. Zunächst einmal hängen hier gleich zwei Schaukeln – parallel rechts und links vom Stamm. Aber sie hängen nicht wie üblich an dicken Ästen. Auch wurde der Baum nicht verletzt und ein Gestänge hineingebohrt. Die komplexe Konstruktion mit Armen, an denen die Schaukeln hängen, ist im Kern eine Manschette, die sich um den Baum schmiegt, vergleichbar mit den Befestigungsprinzipien in Klettergärten und bei Baumwanderungen.

Bewahrende Konstruktion und filigrane Mechanik

Der alte Toggenburger Baum mit seiner Manschette scheint am Klangweg mit Würde auf etwas zu warten. Er spricht eine Einladung aus: einmal schweben statt weiterschreiten. Eine kleine Brücke führt über einen Bach zu ihm und dann kann man allein oder zu zweit schaukelnd durch die Landschaft fliegen. Die Einladung birgt eine Überraschung. Jeder Schwung versetzt weit oben am Stamm eine filigrane Mechanik in Bewegung.

«Ich wollte etwas Behutsames machen, ich wollte etwas Liebevolles machen, ich wollte nicht den einen Effekt, sondern ich wollte, dass irgendwas entsteht, während man etwas anderes tut.»

Fritz Hauser , Künstler

Sobald die Schaukel in Bewegung ist, beginnen oben im Baum kleinste Instrumente, die über den schaukelnden Menschen angebracht sind, gegeneinander zu schlagen. Von Oben fällt ein ein leichter metallischer Klang hinunter wie fernes Blätterrauschen. Die beiden Basler Musiker und Konstrukteure – der Schlagzeuger Fritz Hauser und der Pauker und Instrumentenentwickler Domenico Melchiorre – haben kleine perkussive Instrumente in den Baum gehängt, die abhängig von den Schwingungen ein immer neues Klangpanorama erzeugen.

«Ein Klingen, welches an auftauende Eisfälle, an Schneeflocken und Blütenblätter, an Heimweh und Engelsgesang erinnert. Dann die andere Schaukel: Ein neues Spektrum von Klängen, zartflirrend und hellsüss. Ein Klang voll Zuversicht und Sternschnuppen.»

Die Künstler lösen mit einem alten Prinzip – dem friedlichen Schaukeln – ein Klangwunder aus. Und Der Baum ist dessen Hort und Wächter.

Über den Künstler

Domenico Melchiorre ist Gründer der Instrumenten-Entwicklungsfirma LUNASON, Komponist, Künstlerischer Leiter von ‹DeciBells› und ‹Solopauker› des Sinfonieorchester Basel. Seine Werke werden vom Verlag Neue Musik Berlin verlegt. Domenico pflegt eine rege Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten und dirigiert regelmässig Aufführungen neuer Werke und zeitgenössische Programme. Fritz Hauser entwickelt Soloprogramme und Perkussion, die er weltweit zur Aufführung bringt. Er komponiert für Schlagzeugensembles und –solisten, Kammerorchester und Chor. Von ihm stehen schweizweit Klanginstallationen u.a. im Architekturmuseum Basel oder an der Universität Zürich. Er schreibt für Radiohörspiele oder Musik zu Filmen und Lesungen und Arbeiter spartenübergreifend in den Bereichen Performance, Theater, Tanz oder Architektur. 2022 erhielt er den Schweizer Musikpreis.

melchiorre.ch ↗ fritzhauser.ch ↗

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